Die Seidenraupenzüchter bewahren die Eier des Maulbeerspinners während des Winters sorgfältig in kühler Umgebung auf. Jeder ausgewachsene, graugelbe Nachtschmetterling legt 200 bis 800 Eier, aus denen beim Erwärmen nach etwa 10 Tagen ungefähr 2-3 mm lange und schwarzbehaarte Räupchen schlüpfen. Als Nahrung nehmen sie ausschließlich Blätter des Maulbeerbaumes (Morus alba und andere Morus-Arten) zu sich. Nach drei Tagen nehmen sie eine weiße Farbe an, häuten sich und fressen unermüdlich weiter. Nach vier Wochen und weiteren Häutungen (insgesamt 4) hat die ausgewachsene Raupe das vierzigtausendfache ihres ursprünglichen Gewichtes an Maulbeerblättern gefuttert! Jetzt ist sie so lang und dick wie ein Zeigefinger. Die Natur hat nun ihre Verwandlung vorgesehen. Sie kriecht auf Zweige oder in ihre Spinnhütte und spinnt einen Faden um sich herum. Die Fadenhülle wird zum Kokon. Im Kokon ist die Raupe noch eine Weile aktiv, dann ruht sie als Puppe. Das wertvolle Kokon-Gehäuse besteht jetzt aus einem Seidenfaden von etwa 3 km Länge. Wenn man die Puppe ruhen lässt, entwickelt sich ein weißer und wollig-behaarter Schmetterling, der Maulbeerspinner. Er hat eine Spannweite von ca. 4 cm. Dazu lässt es der Züchter bei der Seidenfasergewinnung aber nicht kommen. Denn der aus- gewachsene Schmetterling zerstört beim Verlassen des Kokons die Fadenstruktur, indem er sie mit einem Sekret aufweicht. Deshalb werden die eingesponnenen Larven mit Wasserdampf oder Heißluft getötet und sodann der Kokon in heißem Wasser zur Erweichung des Sericins (mit dem die Raupe den Kokon zusammengeklebt hat) mit Hilfe von rotierenden Bürsten abgehaspelt, wobei je nach gewünschter Fadenstärke 4-10 Seidenfäden zusammengefasst, auf Haspeln gewickelt und getrocknet werden. Beim Trocknen klebt der Seidenleim alle Fäden wieder zusammen, und so kann ein Webfaden von einer Länge bis zu 1500 m entstehen. 1 kg Kokons ergeben insgesamt 250 g Seidenfaden, und für ein Kleid von 400 g braucht man 3000 Tiere. Anfang und Ende des Kokons lassen sich nicht abhaspeln und dienen zur Herstellung der Schappe-Seide mit ungleichen Fäden. Aus diesem Material wird auch Nähseide hergestellt. Die langen, aufgehaspelten Fäden werden durch Verdrillen zu einem Garn geformt, aus dem durch Flechten oder Klöppeln mehrerer Stränge – je nach gewünschter Fadenstärke – der geflochtene Seidenfaden entsteht. Zur Entfernung des Seidenbasts (Sericin) muss der Faden in Seifenwasser abgekocht werden, was zu einem entsprechenden Gewichtsverlust führt (bis zu 30%) und das Fadengefüge auflockert. Der Gewichtsverlust wird bisweilen durch „Beschweren“ ausgeglichen, das bedeutet, dass die Fäden mit Metallsalzlösungen (meist Zinnverbindungen) ähnlich einem Beizvorgang getränkt werden. Erst anschließend kann der Faden eingefärbt werden. Seide lässt sich von allen Fasern am leichtesten und auch am schönsten färben. Zu stark beschwerte und daher billigere Seidengewebe nehmen die Farbe schlecht an. Empfindlich reagiert Seide allerdings beim Einwirken starker Säuren und besonders Alkalien. Schon das häufigere Waschen mit Seife schädigt sie. Auch Hitzeeinwirkung verträgt sie beim Waschen und Färben schlecht.